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Diagnosen

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Ein aktuelles Thema brennt mir unter den Nägeln: Diagnosen
Immer mehr Kinder und Jugendliche erhalten eine Diagnose über AD(H)S, Legasthenie, Dyskalkulie oder brauchen Ergotherapie, Logopädie …
Es besteht die Gefahr, dass wir in unserer Gesellschaft zu schnell stigmatisieren, wenn Kinder von „der Norm abweichen“.

Da ich im Bereich LRS, Legasthenie und Dyskalkulie arbeite, ist mir eine Auseinandersetzung damit sehr wichtig.
Natürlich ist es ein Segen, dass wir heute großartige Fördermöglichkeiten haben. Dabei kann eine ausführliche Diagnose helfen, den Betroffenen zu verstehen. Sie ermöglicht auch, mit dem Übungsprogramm genau da anzusetzen, wo es eben notwendig ist. Der Schüler kann endlich gezielte Hilfe bekommen. Nur wenn wir wissen, womit wir es zu tun haben und an welchen Stellen genau angesetzt werden muss, können bestmögliche Fortschritte erfolgen. Zusätzlich kann es bei einer Lese-/ Rechtschreibschwäche in einzelnen Fällen wichtig sein, einen vorübergehenden Nachteilsausgleich bei Prüfungen oder Klassenarbeiten zu bekommen. Auch dazu ist die Diagnose Voraussetzung.
Wenn man einen LRS- oder Rechentest durchführt, ist der Umgang mit dem Ergebnis allerdings sehr entscheidend.

Niemals sollten LRS & Co. jemanden definieren! Auf keinen Fall dürfen die Defizite in den Mittelpunkt gerückt werden. Jeder Mensch verfügt über Ressourcen und Entwicklungsmöglichkeiten! Bei einer LRS- oder Dyskalkulie-Diagnose muss auch darauf geachtet werden, dass sich der Schüler nicht darauf ausruht und aufhört, seine Lese-, Rechtschreib- oder Rechenleistungen zu trainieren. Je früher gezielt geübt wird, desto besser und schneller stellen sich Fortschritte ein. LRS, Legasthenie und Dyskalkulie müssen keine lebenslange Beeinträchtigung darstellen, sondern können häufig bei guter Motivation mit gezieltem Training und liebevoller Unterstützung überwunden werden.

Der Kinderarzt Thomas Baumann, Leiter des Entwicklungspädiatrischen Zentrums in Solothurn sagte am 6. November 2011 der Neuen Züricher Zeitung: „Wenn man nur auf eine einzige Leistung fokussiert, findet man schnell eine Störung, die restlichen Fähigkeiten der Kinder werden vergessen.“ Aus diesem Grund ist es mir auch sehr wichtig, nicht nur einen einzelnen Lese-/ Rechtschreib- oder Rechentest vorzunehmen (wie es leider an vielen Orten praktiziert wird), sondern auch ein ausführliches Anamnesegespräch, Textanalysen etc, auch wenn dies viel zeitaufwendiger ist. Es ist von großer Wichtigkeit, die Testperson als Gesamtpersönlichkeit zu sehen.

Heike Kuhn-Bamberger

Autor: Heike Kuhn-Bamberger

diplomierte Legasthenie- und Dyskalkulietrainerin (EÖDL)

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